Sie haben den Verdacht oder das sichere Wissen, dass ein Mensch in Ihrem Umfeld eine Straftat erlebt hat oder fortlaufend erlebt. Es ist zunächst für viele Menschen erschreckend zu erfahren, dass das, was man sonst nur in der Zeitung liest oder im Fernsehen oder Internet sieht und hört, plötzlich in unmittelbarer Nähe Wirklichkeit ist. Das kann bei Ihnen verschiedene Gefühle auslösen, die Sie bisher bei sich nicht kannten und die Sie vielleicht auch nicht haben wollen. Dazu gehören insbesondere Angst, Wut, Ohnmachtsgefühle, Rachegedanken und Hilflosigkeit. Es ist verständlich und normal, wenn Sie solche Gefühle haben. Allerdings ist es in Ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Menschen in Ihrem Umfeld, der von einer Straftat betroffen ist, sehr wichtig, dass Sie sich mit diesen Gefühlen auseinander setzen. Wenn Sie das nicht tun, können Sie mit Ihren Gefühlen den Betroffenen oder die Betroffene in Ihrem Umfeld zusätzlich belasten.
Sie müssen sich nicht allein mit Ihren Erfahrungen und Gefühlen auseinandersetzen. Mit selbst nicht davon betroffenen Freunden können Sie vertraulich darüber reden. Außerdem finden Sie in vielen Einrichtungen und Institutionen, die Sie in der Liste der Unterstützungseinrichtungen aussuchen können, Gesprächspartner, um über Ihre Situation, die Situation des Menschen in Ihrem Umfeld und Möglichkeiten für Ihr weiteres Handeln reden und sich beraten lassen zu können.
Einige Vorüberlegungen und Hinweise finden Sie in den folgenden Abschnitten:
Die Information, dass ein Mensch in Ihrem Umfeld eine Straftat erlebt hat oder noch weiterhin erlebt, wie es zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, Stalking und Sexualstraftaten der Fall sein kann, löst häufig ein Gefühl der Unsicherheit aus.
Dies gilt zunächst für die Frage, ob Sie das glauben können, was Sie erfahren haben. Eine einheitliche und eindeutige Antwort hierauf gibt es nicht. Allerdings kann es Ihnen für Ihr weiteres Verhalten helfen, wenn Sie zunächst einmal davon ausgehen, dass Ihre Informationen stimmen. Sie können sich dann Gedanken darüber machen, wie Sie mit der Information selber umgehen wollen, ob die oder der Betroffene Ihnen nahesteht, vielleicht Gesprächsbereitschaft oder sonstige Hilfe von Ihnen erwartet und ob er oder sie unmittelbare Hilfe benötigt. Diese Gedanken müssen Sie sich nicht allein machen. Sie können sich Beratung und Hilfe bei Unterstützungseinrichtungen suchen, die Sie in der Liste der Unterstützungseinrichtungen finden.
Je nach dem Verhältnis, in dem Sie zu der oder dem Betroffenen stehen, können sich weitere Fragen ergeben:
Wenn Ihnen die Information vertraulich mitgeteilt wurde, hat dies zur Folge, dass Sie sie nur eingeschränkt weitergeben sollten. Außerdem kann von Bedeutung sein, ob Sie auch den Beschuldigten oder die Beschuldigte kennen und sich vielleicht in einer Zwickmühle befinden oder sogar bedroht fühlen. Eine einheitliche Antwort auf diese Fragen gibt es nicht. Vielmehr müssen solche Fragen – gegebenenfalls unter Einbeziehung der oder des Betroffenen – sorgsam überdacht und beraten werden. Hierfür sollten Sie sich stets Hilfe holen.
Hinweis 1:
Wenn Sie auf Grund Ihrer Informationen annehmen müssen, dass die oder der Betroffene in Ihrem Umfeld eine schwere Straftat erlebt hat und womöglich weitere Straftaten gegen sie oder ihn drohen, sollten Sie – auch ohne ein Einverständnis der oder des Betroffenen – die Polizei informieren.
Hinweis 2:
Unabhängig davon, wie Sie zu der oder dem Betroffenen stehen, kann es sein, dass Sie im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens über Ihr Wissen als Zeuge oder Zeugin aussagen müssen. Nähere Informationen zur Aussage als Zeuge oder Zeugin finden Sie unter Ihre Rechte/Strafverfahren#Ermittlungsverfahren.